Freitag, 20. Juli 2007

Neues aus Uhlenbusch

Ich bin auf einer gemischten Station. Es gibt internistische und chirurgische Betten. Die Station wird mit Patienten des S.U.S. (sistema único de saúde) belegt, also keine Privatpatienten ! Das ist auch gut so (von denen habe ich erstmal die Nase voll noch aus der Schule ;)). Andererseits bekommt man hier die Zwei-Klassen-Gesellschaft von der andern Seite zu spüren : Die Einrichtung ist sehr spärlich, oft auch kaputt. Die Behandlung ist ebenso einfach wie kostengünstig.
Patienten mit Niereninsuffizienz, die in Deutschland sicher auf einer Spezialstation lägen oder mindestens rundherum behandelt würden, liegen hier auf Normalstation und bekommen ausser Medikation und Infusionstherapie gerade noch die Ausfuhrbilanz und Hilfestellung je nach Bedarf.

Und es geht auch so, das ist das Erstaunlichste und vielleicht interessant für deutsche Verhältnisse, wo Maximalversorgung herrscht ;)
Die meisten Patienten, die pflegebedürftig sind, haben Angehörige dabei, die ihnen helfen beim Duschen, Essen etc.

Im Bett gewaschen werden nur diejenigen, die überhaupt nicht aufstehn können. Ich hab schon Leute in die Dusche begleitet, die in D bestimmt im Bett geblieben wären. Ganz zu schweigen von den Temperaturen ohne Heizung, brrr...
Aber das ist hier halt so !
Es herrscht Funktionspflege : zwei machen die Betten und waschen die Patienten, zwei kümmern sich um die Anordnungen und machen Verbände. Auf einer Station mit 30 Betten. Da hat man zwar schon 2-3 Zimmer zu betreuen, aber weil man auch immer überall unterwegs ist, hat man am Ende doch nicht alles von seinen Patienten mitbekommen.
Ich kann die Schrift der Ärzte und Kolleginnen oft nicht lesen und kenne viele Medikamente noch nicht, die hier andere Namen haben. Da muss ich ständig fragen und das nervt mich, obwohl alle sehr freundlich sind und Geduld haben.
Ich merke aber schon, dass die technischen Schwestern hier gar nicht den Anspruch haben, genau zu verstehen, welches Medikament was bewirkt etc. (Aber ich habe ihn !!)
Und die studierten Schwestern überwachen alles und geben einem Anordnungen. Oft wäre es schneller und einfacher, sie würden die Infusion selber wieder zum Laufen bringen, wenn sie schon grad im Zimmer waren.

Aber ich beobachte nur, sage wenig dazu. Mir wird ja selbst erst nach und nach bewusst, welche Unterschiede es hier zu Deutschland gibt.

Momentan bin ich mittags gegen 14 Uhr, wenn ich mit dem Bus nach Hause komme, noch recht k.o. Aber das gibt sich sicher bald. Morgens nehme ich den Bus um 6:15 Uhr und laufe noch 10 Minuten bis zur Klinik. Dann bin ich aber wenigstens früh genug da zur Übergabe. Sonst gitb es keine mehr um 7 Uhr und man weiss nicht, was die Patienten haben, was die Nacht passiert ist etc.
Die Umkleide liegt ausserhalb in einem Anbau und man muss aussenrum wieder in's Krankenhaus rein. Dann muss man mit dem Fingerabdruck am "Stechuhr" - Computer den Arbeitsbeginn dokumentieren. Das alles nimmt Zeit in Anpruch, die man im Prinzip früher dasein muss.
Wohl deshalb kommen viele schon in Arbeitskleidung auf Station, quer durch die ganze Stadt. Super :( Ich möchte in meiner Arbeitskleidung nicht nach Hause laufen. Es reicht mir schon, dass ich sie waschen muss !

9 Kommentare:

Sati hat gesagt…

Hallo, Frau Mondin!
Erst mal alles Gute und viel Glück zum und im neuen Job. Du scheinst deine Umgebung sehr schnell und klar zu erkunden, wie du schreibst.
Hut ab grundsäzlich vor diesem Job, ich könnte ihn nicht machen, weder dort noch hier. Wäre vermutlich viel zu ungeduldig mit den Patienten - nicht in den Ausführungen oder beim Helfen, sondern wegen dem vielen Gejammer allerorten. Also: Hut ab. Die Abfahrtszeit vom Bus ist auch nicht ohne.... Hoffentlich gibt es viel zu lernen für dich - bevor du dann Medizin studierst ... Wer versorgt denn die lieben Kinderchen am frühen Morgen?
Schöne Grüße, Anuja

kvinna hat gesagt…

Deine Gefühle scheinen ein bisschen gemischt zu sein? Den Bus um 6.15 Uhr zu nehmen, heißt, wie früh aufzustehn?? Aber 14 Uhr wieder zurück zu sein, okay, das sind 8 Stunden außer Haus, auch nicht wenig, aber dann ist ja noch was vom Tag übrig, mit Kindern, die garantiert noch was wollen - puh, Hut ab!

Ich wünsch', dass sich alles gut entwickelt für dich!

sam hat gesagt…

Ich stell mir grad vor, wie bei uns alle durchdrehen würden, wenn sich eine Schwester in der Klinikkluft auch bloss bis zur nächsten Bäckerei begäbe auf zwei Brezn und dann so zur Arbeit zurückkehrte :)
Vielleicht passiert bei Euch weniger ohne diese Hygiene- Paranoia als hier?
Oder habt ihr auch diesen Killer-Staphylokokkus-Aureus oder wie der heisst, der in Deutschland reihenweise geschwächten Kranken das Licht ausbläst? Ich hab mal gehört, je näher ein Krankenhaus am "Busch", sozusagen, ist, umso weniger gäbs den.

Fröhliches Eingewöhnen noch!

Ursel hat gesagt…

Hallo Ihr Drei Gestirne :)

Liebe Anuja,

danke, danke ;)
Du würdest staunen, wie wenig hier gejammert wird in Relation zu den oft echt ernsten Erkrankungen. Am meisten jammern die, denen es nicht so schlecht geht..
Hmm, Medizin oder Pflege ;) weiss noch nicht. Ist ganztags, so ein Studium an der öffentlich-staatlichen Uni. Da kann man nicht einfach so nebenbei arbeiten und Kinder haben.. An privaten Uni's kostet's recht viel und ist nicht so gut.
Sara und Carolina sind morgens in der Schule und mein Mann kann es sich einrichten, etwa früher Mittagspause zu machen, wenn sie aus der Schule kommen. Und für den Notfall wohnt noch eine Tante nebenan und eine Schwägerin 2 Strassen weiter. Danke der Nachfrage !!

Hallo Kvinna ,

ja, durchaus ! Ich lande grad auf dem Boden der brasilianischen Realität..
Nun, da ich die Stelle behalten will, werde ich vorsichtig sein ;)
Och, ich stehe um 5:20 Uhr auf. Ich habe heute aber festgestellt, dass der Bus um 6:30 auch reicht ;).
In Deutschland musste ich auch um 5:45 Uhr aufstehen , um um 7:15 Uhr umgekleidet im OP zu sein. Das ist kein grosser Unterschied. Aber der Schlafmangel, den ich die letzten 2 Jahre nicht hatte, ist heftig. Ich brauch meine 7-8 Stunden, komm' aber nicht früh' genug in's Bett :))
Eben, es ist bestechend, so früh wieder zuhaus' zu sein. das ist echt prima !
Dankeschön :))

Hy Sam,

in Deutschland sieht man aber auch Personal in weiss (Arztpraxen, Ärzte und auch Schwestern) auf der Strasse, aber es ist die Ausnahme und, wie Du schon sagst, eben nicht bis nach Hause, sondern "nur" mal in der Pause über die Strasse zum Bäcker. Normalerweise geht eine für alle andern und bringt was mit und sie sollte sich natürlich umziehen !
Ist auch nicht o.k., ich weiss, kam aber vor !
Ob hier weniger passiert, weiss ich noch nicht ! Das muss ich noch erkunden. Die OP-Wunden, die ich so gesehen habe in den ersten Tagen, sehen gut aus und heieln gut. Aber es gibt ja Antibiotika, gell !
Den staph. aureus gibt's hier garantiert auch, aber da ich bisher nicht "insider" war, hab ich nix von seienm Wirken mitgekriegt. In den Medien ist er nicht.
Und da ich ausser Alkohol auch noch kein Desinfektionsmittel entdecken konnte (buaaah, meine Hände leiden ;)), wird es nicht soviele Resistenzen bei den Keimen geben, schätze ich.
In Giessen in der Kinderklinik gab es ja vor ca. 3 Jahren einen Skandal, weil sich die gefährlichen Keime, die mehrere Säuglinge das Leben gekostet haben, just an der Aussenseite der Desinfektionsmittelspender festsetzten. Dieses war zu niedrig dosiert worden mit Erlaubnis eines Arztes, da die Schwestern sich beim Gebrauch über Kopfschmerzen beklagten...
Das kann durchaus sein, dass es hier halt die "normalen" Keime gibt, aber weniger gefährliche.
Quod erat demonstrandum , hehe.

Vielen Dank Dir !!
Den ersten Blick in einen offenen Brustkorb ohne Lungenflügel hab' ich schon getan, auha !

Eine Schlüsselfrage ist mit Sicherheit :"Wieviel ist ein Menschenleben in der jeweiligen Kultur wert ??" ...

Gabriela B. Lopes hat gesagt…

Naja, also ich fand es schon befremdend, dass die Krankenschwestern in der Entbindungsstation mit Zehenlatschen und Strassenschuhen herum gelaufen sind. An alles, was ich da denken konnte, waren die Bakterien. Da fällt mir die Toilette ein, die in den drei Tagen, die ich im städtischen Krankenhaus verbringen musste, kein einziges Mal geputzt wurde. Dann noch das Diazepam (Valium) als Schmerzmittelersatz. Seufz. Gut, ich habe es überlebt, aber ich habe mich doch sehr nach einem deutschen Krankenhaus gesehnt. Begeistert war ich hingegen von einigen Krankenschwestern, die sich tatsächlich die Zeit nahmen, sich mit mir zu unterhalten und mich zu trösten oder mir auch nach Mitternacht (nach Gedöhnse und OP) noch eine Suppe zu besorgen.

Es stimmt, Brasilianer sind sehr geduldig. Manchmal vielleicht zu geduldig.

liebe Ursel, ich wünsche dir, dass du dich schnell eingewöhnst, die Kritzel bald entziffern kannst und du trotz allem auch noch ein wenig Zeit zur Erholung findest...

liebe Grüsse
Gabriela

kvinna hat gesagt…

Im Zusammenhang mit Keimen bin ich zum allerersten Mal ins Grübeln gekommen, als mich nach dem Kaiserschnitt die Ärzte unbedingt NOCH LÄNGER dabehalten wollten, weil der Schnitt nicht so toll heilte.

Darüber war ich völlig verzweifelt, mein Kind war fit und ich wollte ENDLICH nach Hause.

Eine Hebamme hat mir dann "heimlich" gesteckt, ich solle bloß nach Hause gehen, meine Keime zu Hause kennt mein Körper und kommt damit klar, im Gegensatzt zu den Keimen im Krankenhaus.

Ich habe mich dann gegen die Ärzte durchgesetzt und plötzlich war's ganz einfach, "freizukommen". Zu Hause war die Heilung dann ein Klacks...

Das ist so eine Sache mit den Keimen...

Ursel hat gesagt…

Hallo Gabriela,

ja, das finde ich auch eklig, zu wissen, dass die Schwestern mit den (weissen) Schuhen draussen rumlaufen. Als ob die Tatsache, dass sie weiss sind, sie keimfrei machte. Komische, magische Weltanschauungen zum Teil noch da, wo das Wissen noch nicht so gross ist..

Geputzt wird hier schon, ist ja auch ein privates Krh. immerhin. Nur die Abteilung ist den SUS-Patienten zugeordnet.
Drei Tage haben sie Dich dabehalten. Dann muss es ja heftig gewesen sein ! Die sind sonst nicht so zimperlich hier und schicken die meisten am Tag nach der OP wieder nachhause..

Hy Kvinna,

genau so ist es mit den Keimchen :)
Gut, dass die Hebamme Dir da geholfen hat ;)

Grüssli's Ursel

kvinna hat gesagt…

Ich habe meine Jüngste nach ihr benannt. Aus ganzem Herzen. Kennst du das, dass man Menschen trifft, die einem genau zum richtigen Zeitpunkt einen sachten Stups in die richtige Richtung geben? Und das ist dann ganz entscheidend für's weitere Leben, es entwickelt sich in dir, wächst und führt dich zum nächsten... :D

Ursel hat gesagt…

Nachtrag am 25.8. :
Ja Kvinna,

die Stübse sind die angenehmeren, weil sanfetn, nicht ?!

Ich krieg wohl momentan eher Tritte in den Hintern ;)

Meine Hebamme mag ich auch sehr, sehr gern, sie hat mich zweimal zuhause unterstützt :) War wunderschön !

LG Ursel